Sonntag, 21. August 2016

"Zweier ohne" von Dirk Kurbjuweit


"Wir halten uns gegenseitig, sagte er, wir sind Zwillinge, 
nur du und ich."

"Zweier ohne" Steuermann ist eine Bezeichnung aus dem Rudersport. Im Boot sitzen zwei Ruderer, von denen jeder nur an einer Seite den Riemen durch das Wasser zieht. 
Diese internationale Bootsklasse war gerade wieder bei den Olympischen Spiele in Rio schön zu beobachten. Harmonie in den schmalen Booten ist unabdinglich, denn ohne ausgefeilte gemeinsame Schlagtechnik hat das Team keine Chance.

In Dirk Kurbjuweits meisterhaften Novelle sind es die beiden sechzehnjährigen Jungen Johann und Ludwig, die im "Zweier ohne" trainieren und schon ein paar Siege eingefahren haben. Beide sind von identischem Gewicht und harmonieren ausgezeichnet. Ihre Freundschaft erleben sie sehr isoliert von anderen, denn sie verbringen all ihre Zeit nur im Zweierpack.

"Wir müssen immer das Gleiche tun, wir müssen immer das Gleiche wollen, wir müssen immer das Gleiche denken."

Johann, der Icherzähler möchte daher nicht das Ungleichgewicht wahrhaben, das sich fast unbemerkt einschleicht. Als Ludwig an Körpergewicht zulegt, versucht Johann es mit Abnehmen auszugleichen, damit das Gesamtgewicht im Boot wieder stimmt.
Johann ist um Anpassung bemüht und als er mit Ludwigs Schwester Vera zusammenkommt, gerät er in Bedrängnis, da er vermuten muss, dass sein Freund es nicht toleriert.
Unausgesprochenes führt zu "Unruhe im Boot" und tatsächlich verlieren die ansonsten Erfolgsgewohnten ihr nächstes Rennen.

Der Leser spürt eine sich anbahnende Dramatik ...

"Die Frage ist ja ohnehin, ob nicht am Ende Hysterie einer unserer besseren Zustände ist. Man zeigt ungeschützt, ungebremst, dass man sich berühren lässt, dass einem die Dinge nicht egal sind, das wirkt oft albern, gebe ich zu, doch eigentlich ist der Hysteriker der Mensch in seiner ehrlichsten Ausprägung."

Ludwig ist seltsam fasziniert von der Brücke, die sich über das Wohnhaus seiner Familie spannt. Bereits einige Male haben sich von ihr Selbstmörder in die Tiefe fallen lassen. Als Ludwig im Garten einen der Herabgestürzten tot vorfindet, verhält er sich sehr merkwürdig ...

So spitzt sich diese Novelle zu ... mehr möchte ich nicht verraten.

Dirk Kurbjuweit schafft eine beklemmende Atmosphäre, die mir nahe gegangen ist. Wie es ihm gelingt, diese beunruhigende Freundschaft so still und unaufgeregt zu schildern, hat mich sehr beeindruckt. 

Sprachlich einfach aber nicht simpel. Die Geschichte wird perfekt transportiert.

Alles liegt im Auge der Jugendlichen und doch fühle ich mich als Erwachsene unmittelbar angesprochen. 
Lesen!