Sonntag, 3. September 2017

"Was man von hier aus sehen kann" 
von Mariana Leky



" ... weil sonst das Leben falsch abgebogen wäre."

Es bleibt in Erinnerung ...

... die Story

Im Westerwald geschieht Mystisches: immer, wenn die alte Selma von einem Okapi träumt, schleicht sich der Tod ins Leben und trifft einen ihr nahe stehenden Menschen. 
Aber kann jemand wirklich "an Selmas Traum sterben"? Ja, davon ist man überzeugt.
So mancher Dorfbewohner hütet in sich eine "verschnürte Wahrheit" und meint, er müsse sie nun offenbaren, schnell noch, bevor der Tod zuschlägt. Als es tatsächlich passiert, trifft es alle schwer ... Vor allem Luise, die zehnjährige Enkelin von Selma und gleichzeitig die Icherzählerin dieses Romans.
Waren alle vorher schon komisch, legt man jetzt noch einen Stiefel zu. Luises Vater schnürt letztere und geht auf Weltreise, der Optiker hört verstärkt innere Stimmen und Elsbeth wird noch abergläubischer. Luises Beziehung zu Selma gestaltet sich immer inniger, allein ihre Ausbildung zur Buchhändlerin in der Kreisstadt bringt etwas Abstand. Mit zweiundzwanzig Jahren gibt es einen weiteren Einschnitt für Luise, als würde sich jemand anschicken, ihr Leben umzudrehen ... 

Dieser Jemand heißt Frederik und ist zu Besuch im Westerwald; eigentlich lebt er als Mönch in Japan. Er wirkt buddhistisch abgeklärt und geht zurück nach Japan, nachdem er und Luise sich näher gekommen sind. Jahre verstreichen, in denen Frederik und Luise sich schreiben und manchmal telefonieren. Über ihre unglückliche Liebe spannen sich große Themen auf: das Vergehen von Zeit, die Frage, was "wirkliches Leben" ist, soll man bleiben oder reisen und was überhaupt hat man in der Hand, was ist verhandel- und verwandelbar?
Selma liegt schließlich im Sterben und ein letztes Mal kommt das Okapi ins Spiel ... sowie einiges in Bewegung.

... ein Zitat

"Selmas Traum aber schuf Tatsachen. War ihr im Traum ein Okapi erschienen, erschien im Leben der Tod; und alle taten, als würde er wirklich erst jetzt erscheinen, als käme er überraschend angeschlackert, als sei er nicht schon von Anfang an mit von der Partie ... Die Leute im Dorf waren beunruhigt, man sah es ihnen an ... Den ganzen Tag beargwöhnten sie ihr Leben und, soweit möglich, das aller anderen."

... was mich bewegt hat

Sehr vieles hat mich bewegt. Selma und die anderen, die Metaphern und die Botschaften und eine Sprache, wie ich sie so noch nicht gelesen habe. 

... die Sprache

Sehr, sehr bildhaft und sie bietet immer einen Anlass zum Schmunzeln. Intelligente Leichtigkeit trifft auf große Themen. Gelungener Sprachwitz. Nie überzogen.

... ein Fazit

Man verpasst was, wenn man diese Erzählerin nicht kennenlernt, da sie sprachlich wirklich einzigartig ist. Was die Liebesgeschichte betrifft, ist diese nicht ganz frei von Kitsch (Mädchen liebt Mönch), aber die Figuren, der Einfallsreichtum der Autorin und ihre Sprache lassen den Kitsch vergessen. 


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