Samstag, 17. Februar 2018

"Das Genie" von Klaus Cäsar Zehrer



"Es genügte, wenn er sein Kostbarstes, 
seine Intelligenz, künftig besser beschützte,
 so wie andere ihre Juwelen."

Es bleibt in Erinnerung ...

... die Story

Dieses Genie hat es wirklich gegeben. William James Sidis wurde am 1. April 1898 in New York geboren und erlangte als Wunderkind und Exzentriker große Bekanntheit in den Vereinigten Staaten. Klaus Cäsar Zehrer erzählt seine Lebensgeschichte und beleuchtet alle Facetten eines solchen Lebens im Fokus des öffentlichen Interesses. Bekannt wurde William Sidis, als er mit elf Jahren sein Studium an der Harvard University begann. Ein Sonderprogramm machte es damals möglich.
Der Roman von Klaus Cäsar Zehrer aber setzt viel früher an, geht zurück auf Williams Eltern, zwei ehrgeizigen Einwanderern aus der Ukraine, und lässt uns erfahren, wie die Idee des Ehepaars Sidis, aus William mit Hilfe einer besonderen Erziehungsmethode ein Genie zu machen, überhaupt geboren wurde. William wächst dann extrem gefördert und tatsächlich glücklich auf. Der Vater scheint recht zu behalten damit, dass die "geistige Kapazität" von Kindern zu vervielfachen ist, wenn man die ersten aufnahmefähigen Jahre dafür nutzt, Spielen und Lernen versäumnislos zu verknüpfen und dass Kinder davon ausschließlich positiv profitieren.
Die Probleme beginnen im Grundschulalter, als William eine Klasse nach der anderen überspringt und wie ein "Fremdkörper in ihrer Gemeinschaft" keine Freundschaften zu schließen vermag. Noch nicht mal ein "Lehrerliebling" ist er, denn dafür kommt er zu altklug rüber.
Hochinteressant zeigt sich seine Weiterentwicklung, denn alleine geistig ausgerichtet, gehen ihm wesentliche Tugenden gänzlich ab. Emotional gestört ist er nicht fähig, Beziehungen zu pflegen. Außerdem lässt er es an Manieren und an Anstand fehlen und meistert einfachste Alltagssituationen nicht. Man möchte meinen, dass ihm vielleicht alleine die ausgesprochene Intelligenz ein zukunftsorientiertes erfolgreiches Leben ermöglichen kann, aber dem ist eben nicht so. Lebenskunst erfordert mehr und das liest sich sehr einnehmend und atemberaubend in diesem tollen Buch.
Schließlich ist es gar seine Intelligenz, die ihn unglücklich enden lässt, denn er muss befürchten, sie könne wissenschaftlich missbraucht werden und dem "obszönen Gemetzel des Krieges" dienen.
Die Geschichte eines Sonderlings, der zwangsläufig scheitern muss.

... ein Zitat

"Boris gab auf. Er konnte es nicht. Nun war es also passiert, William hatte ihn geistig überflügelt. Das war das übliche Elternschicksal, irgendwann bekam man vom eigenen Nachwuchs seine Grenzen aufgezeigt, und so sollte es ja auch sein. Nur wenn die jeweils jüngere Generation der älteren über den Kopf wuchs, konnte der Fortschritt seinen Lauf nehmen. Dagegen hatte Boris nichts einzuwenden. Es gab ihm lediglich zu denken, dass der Zeitpunkt der Übergabe schon so früh kam. Dass er mit einem achtjährigen Kind nicht mehr mithalten konnte."

... was mich bewegt hat

Der unbeholfene und lebensuntüchtige erwachsene William. Emotional verarmt.
Wie er die Liebe erfährt und nicht wiedergeliebt wird.

... die Sprache

Chronologisches Erzählen ermüdet gerne den Leser. Hier gelingt es dem Autoren jedoch, den Leser sprachlich und inhaltlich kontinuierlich zu fesseln. Das über immerhin 640 Seiten.

... ein Fazit

Sehr lesenswert!



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen